Babytragen Wegweiser

veröffentlicht von Kerstin am 12. January 2012

Kleiner Babytragen-Wegweiser

Das Tragen von Babys und Kleinkindern hat eine lange Tradition quer durch die Kulturen und ist in jüngerer Zeit zu recht auch bei uns Trend. Manch Hollywood-Star geht da als leuchtendes Beispiel voran und trägt so hoffentlich auch dazu bei, das Thema Tragen so langsam vom verstaubten Öko-Image zu befreien…

Die klassische Tragehilfe ist natürlich das Tuch. Ganz simpel und zugleich ungeschlagen vielseitig in der Nutzung. Es sind unterschiedliche Bindeweisen vor dem Bauch, auf der Hüfte oder auf dem Rücken möglich, und auch so manchen Zusatznutzen hat das lange Stück Stoff: ob Sichtschutz beim Stillen, Sonnenschutz, Handtuch, Wickel-/Sitzunterlage oder spätere Umarbeitung zu Hängematte oder Tasche, vieles ist denkbar. Gleichzeitig ist das gut gebundene Tragetuch auch die ergonomisch beste Trageweise für das Baby *).

 

Vorausgesetzt es ist richtig gebunden. Es erfordert schon etwas Übung, die verschiedenen Bindeweisen gut umzusetzen. Nicht umsonst gibt es ausgebildete TrageberaterInnen, die nicht nur mit dir die zu euch passende Tragehilfe aussuchen, sondern im Falle des Tragetuches auch konkret Hilfestellung und Feedback zum binden geben. Denn das gehört in unserer Kultur leider nicht mehr zum überlieferten Familienwissen.


*) Mit der erwähnten Ergonomie für das Baby ist folgendes gemeint: Menschenbabys sind biologisch gesehen, wie Primatenbabys auch, Traglinge. Alles an ihnen ist auf das getragen werden ausgelegt. Neugeborene nehmen reflexartig eine charakteristische Haltung ein, wenn sie hochgenommen werden. Sie ziehen die Beine mit rundem Rücken und in der sog. Anhock-Spreiz-Stellung an, in der sie optimal auf Rücken oder Hüfte “platznehmen” können. Diese Haltung muß die Tragehilfe ermöglichen und unterstützen. Ein Tragen des Babys mit Blick nach vorne, geradem Rücken und hängenden Beinen schließt sich damit übrigens aus (passend dazu auch der Anti-nach-vorn-tragen-Flyer)


Wem das Tragetuch zu kompliziert ist, kann auf sog. Komfort- oder Fertigtragen ausweichen. Solche Tragehilfen werden gerne auch etwas holprig Tragesitz, Tragegurt oder Tragesack genannt. Sie müssen nicht jedesmal neu gebunden werden, sondern die Traghilfe ist vorgeformt und wird ähnlich einem Rucksack angelegt. Einerseits sind Fertigtragen meist etwas weniger ergonomisch für das Baby als das Tragetuch (besonders für kleine Babys, siehe weiter unten), andererseits aber teils ergonomischer für die Trageperson. Denn Tragehilfen mit stabilem Hüftgurt leiten einen großen Teil des Gewichtes auf die Hüften und ermöglichen so langes, ermüdungsfreies Tragen. Das Prinzip ist das Gleiche wie bei modernen Trekkingrucksäcken: auf der Hüfte, nah am eigenen Körperschwerpunkt, ist das Gewicht besser zu tragen als nur über die Schultern. Aber auch hier gilt: die Tragehilfe muß richtig auf Träger und Baby eingestellt sein.

Die suboptimale Ergonomie für das Baby ergibt sich aus der unveränderlichen Form des “Beutels”. Während ein Tuch aus Tragetuchstoff sich durch gutes Festziehen schön gleichmäßig um Po und Rücken des Traglings legt und sich so individuell anpasst, sitzt das Baby in der Fertigtrage im vordefinierten Sitz und muß sich diesem anpassen statt umgekehrt. Tiefe, Stegbreite und Form dieses “Sitzbeutels” können bei Fertigtragen, die ab Geburt bis Laufalter passen sollen, deshalb oft nur ein Kompromiss sein. Kritisch ist dies für junge Babys, für die der Sitzsteg meist schon zu breit ist und die so unter Umständen in eine unergonomische Überspreizung der Beine gezwungen werden. So heißt es dann manchmal “mein Baby mag nicht getragen werden”, ohne zu erkennen, daß es für das Baby unbequem ist.
Eine Ausnahme in Sachen Fertigtragen ist in unseren Augen die Emeibaby Trage mit Tragetuchstoff.

Nun zu einzelnen, weiteren Typen von Tragehilfen.

Für kleine Babys kann ein elastisches Tragetuch aus Jersey eine sinnvolle Option sein. Durch die Elastizität muß es nicht ganz so exakt gebunden werden, sondern legt sich recht unkompliziert eng um das Baby. Auch gibt es die Möglichkeit, es am Körper vorzubinden und das Baby  dann hineinzusetzen – eine sehr praktische Option. Denn so kann die Jacke an bleiben, wenn es z.B. einen Wechsel zwischen zu Fuß gehen und Auto fahren gibt. Nach etwa einem halben Jahr (spätestens mit ca. 9 kg) wird das Baby aber so schwer, daß das Tuchmaterial nicht mehr genügend stützt, sondern zunehmend “durchhängt”. Eine Alternative muß dann her, will man sein Baby weitertragen.

Ein Mai Tei kommt aus dem asiatischen Raum und ist in der Urform einfach ein quadratisches Stück Stoff mit Schulterträgern und Hüftbändern, die am Körper geknotet werden. Im Grunde eine einfache Form moderner Komforttragen, bei denen Knoten durch Schnallen ersetzt wurden (von Insidern darum auch “Schnallentiere” genannt…), und Regionen weiter ausgestaltet, stabilisiert und gepolstert wurden. Die Übergänge von MaiTai zu Komforttrage sind folglich eigentlich fließend.

Slings (Ring Sling, Pouch) sind prinzipiell Schlaufen oder als Schlaufen geknotete Tücher, die nur über einer Schulter getragen werden. Das Baby sitzt meist seitlich auf der Hüfte, aber auch die Wiegenhaltung (seitlich liegend) wird manchmal als Option für junge Babys angegeben. Diese Wiegenhaltung ist jedoch nicht empfehlenswert, denn leicht kann es passieren, daß das Baby in sich zusammen- und das Kinn auf die Brust sinkt. Dann ist die Atmung erschwert und tatsächlich kann es dann gefährlich werden. Besser und auch direkt ab Geburt sitzt ein Baby aufrecht im Sling. Ein Ring Sling wird meist genutzt, wenn das Baby vergleichsweise kurzzeitig getragen wird. Es kann theoretisch schnell in den Sling gesetzt werden. Wobei eine wirklich gute, für beide bequeme Platzierung auch gelernt sein will. Dafür sollte ein Sling in der “gekippten” Variante gebunden werden. Die einseitige Belastung nur einer Schulter ist mit schwereren Babys und längeres Tragen nicht besonders ergonomisch für die Trageperson.

Tragesitze/Kraxen, wie sie von verschiedenen Outdoor-Firmen angeboten werden, haben eigentlich nicht viel mit dem ursprünglichen Babytragen zu tun. Das Kind hat gar keinen Kontakt zur Trageperson, sondern sitzt einfach in dem Rucksackgestell wie auf einem Stuhl. Geeignet sind solche Sitze somit auch nur für größere Kinder, mindestens ab Sitzalter. Typischerweise für Wandertouren verwendet: das Kind sitzt oben, darunter ist der Rucksack mit dem Gepäck. So wird versucht, beides unter einen Hut zu bringen: Kind und Gepäck beides auf dem Rücken zu tragen. Stabile Kontruktionen mit Alurahmen und sehr stabilen Hüftgurten bewirken, daß ein großer Gewichtsanteil wirklich über die Hüften getragen wird und nicht die Schultern belastet. Richtige Einstellung der Kraxe vorausgesetzt.

Es gibt noch einige bei uns weniger verbreitete Formen der Babytragen, wie z.B. den Onbuhimo (japanisch) oder Podaegi (koreanisch), beide ohne Hüftgurt. Auch diese haben je nach Vorliebe und Randbedingungen ihre Berechtigung – so kann sich ein Onbuhimo oder Podaegi z.B. in der Schwangerschaft anbieten (kein Druck auf den Bauch durch einen Hüftgurt), wenn das ältere Kind noch getragen wird. Auch ist ein Onbu ganz schnell mit Kind “umgeschwungen” und wirklich eine gute, leichte und “immer dabei” Option für ältere Traglinge.

Insgesamt haben alle Babytragen ihre Vorzüge und ihre Fans. Es macht auf jeden Fall Sinn, mal eine Trageberatung in Anspruch zu nehmen. Die 30-40 Euro sind eine vergleichsweise geringe Investition, wenn es um einen gelungenen Tragealltag mit dem Baby geht. Kontakt zu TrageberaterInnen in deiner Nähe findest du z.B. über das Tragenetzwerk. Auch bei unseren Beraterinnen (MamaMotino in Hannover) kannst du Trageberatungen machen.

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